Auf der Suche nach den vergessenen Orten der Buckligen Welt / Fotos: Markus Steinbichler
Ruine Thernberg kämpft gegen den Zerfall
Für diese Ausgabe unserer Serie „Lost Places“ haben wir ein Bauwerk ausgesucht, das wirklich verloren scheint. Die Burgruine Thernberg, einst Herrschaftssitz von Erzherzog Johann, wird langsam aber sicher wieder eins mit der Natur. Von Weitem wirken die Burgmauern nach wie vor beeindruckend, näher sollte aber niemand kommen, es herrscht akute Lebensgefahr.
Die Burgruine Thernberg zählt zu den ältesten Burganlagen Niederösterreichs. Im 12. Jahrhundert wurden die romanischen Grundmauern errichtet, ungefähr zeitgleich mit der alten Pfarrkirche im Ort. Im Mittelalter bewachte sie eine wichtige Straßenverbindung durch die Bucklige Welt, der Burgberg heißt auch heute noch „Hohe Wacht“. Die Anlage besteht aus Bergfried, Palas und dazwischenliegendem Hof. Der Turm diente im frühen 19. Jahrhundert als Aussichtswarte. Ab 1510 wurde die Burg um einen repräsentativen Schlosszubau erweitert, der dann im frühen 18. Jahrhundert barockisiert wurde. Um 1807 kamen Schloss und Burg in die Hände seines bekanntesten Besitzers: Erzherzog Johann. Er ließ die Anlage renovieren und brachte hier seine Sammlung unter, die den Grundstein für das Joanneum in Graz bildete. In Thernberg, also quasi am Fuße der Burgruine, gibt es seit einigen Jahren die Erzherzog-Johann-Dokumentation, die das Schaffen des Adeligen beleuchtet. Die Ausstellung ist modern gestaltet und wird immer wieder um einzelne Aspekte erweitert. Herzstück ist aber natürlich der Erzherzog und sein Aufenthalt in Thernberg. Nach ihm und den Nachfolgern, der Familie Liechtenstein, wechselte die Anlage häufig die Besitzer.
Rettungsversuche
Seit den 30er-Jahren des vorigen Jahrhunderts gehört der Forstbetrieb inklusive Burg der Familie von Sandra Tuider. Damals kauften ihre Urgroßeltern den Betrieb. Seit vier Generationen ist Wald und Burg also im Familienbesitz, und seitdem versucht jede Generation, dem historischen Gebäude neues Leben einzuhauchen. Ohne Erfolg. „Die Burg stand schon damals, als meine Urgroßeltern sie kauften, unter Denkmalschutz, als der Zustand noch ganz gut war. Jede Sanierung konnte daher nur unter strengsten Auflagen erfolgen“, so Tuider. Einmal versuchte ihr Urgroßvater, das Dach zu erneuern. Die passenden Dachziegeln und sämtliches Material ließ er hinaufbringen. Doch dann brannte der nahegelegene Stanghof nieder, und eine voll in Betrieb stehende Landwirtschaft hatte in den Notzeiten nach dem Krieg natürlich Vorrang. Also wurde sämtliches Baumaterial fortgeschafft. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Anlage unter anderem als Ferienlager für Kinder genutzt, und eine Zeit lang hat laut Tuider eine Familie dort gewohnt, die am vorgelagerten Turnierplatz Kühe hielt.
Irgendwann waren die Mauern aber einfach zu mitgenommen, um noch genutzt zu werden.
Friedl Scherleitner, mit 90 Jahren eine der ältesten Thernbergerinnen, erinnert sich noch gut an die Zeit, als die Burganlage noch mit Leben gefüllt war. Auf einem alten Bauernhof, der über 400 Jahre lang ihrer Familie gehörte, verbrachte sie viele Sommerferien. Auf dem Schloss wurde da noch oft gekocht und gefeiert – ihr Vater erzählte lebhaft davon, dass er vor seiner Hochzeit im Jahre 1921 viel bei Festen und Feiern auf dem Schloss getanzt hatte. In den 1950er bis 1970er-Jahren war das Schloss noch ein beliebtes Ziel für Spaziergänge von Friedl Scherleitner. Vieles war noch gut erhalten und zugänglich. Auch dass in dieser Zeit viel vom Inventar und den Möbeln in andere Burg- oder Schlossanlagen transportiert wurde, weiß sie zu berichten: So müsste ein schöner, blauer Kachelofen aus Thernberg heute noch auf Burg Seebenstein zu sehen sein.
Hohe Auflagen
Sandra Tuider versuchte gemeinsam mit der LFS Warth, zumindest einen kleinen Teil der Anlage zu restaurieren, scheiterte aber erneut an den Auflagen des Bundesdenkmalamtes. „Man hat mir mitgeteilt, dass ich mich darauf einstellen soll, dass sich die Natur die Burg wieder zurückholt“, so Tuider. Bis es so weit ist, ist allerdings Vorsicht geboten. Das Betreten der Anlage ist verboten und wegen Einsturzgefahr lebensgefährlich. Ein Spaziergang in den stillen Wäldern rund um die Burg ist allerdings sehr empfehlenswert.