Ein Forschungsteam rund um Dr. Gert Dressel, Dr. Johann Hagenhofer und Dr. Werner Sulzgruber hat das Leben der jüdischen Familien in der Region erforscht. Die Ergebnisse werden 2019 im Museum für Zeitgeschichte in Bad Erlach präsentiert. Der Bote aus der Buckligen Welt bietet im Rahmen einer Serie schon jetzt einen Einblick in die spannenden Ergebnisse.
Josefine Daniel (re.) und ihre Schwester vor dem Grabstein von Franziska Daniel. Ruth Contreras entdeckte das Bild in einem englischsprachigen Blogbeitrag und nahm mit der Autorin Kontakt auf. Diese entpuppte sich als Enkelin von Josefine Daniel / Foto: Marianne Kwiatkowski
Katzelsdorf und Eichbüchl – eine besondere jüdische Geschichte
Die Erforschung der jüdischen Geschichte von Katzelsdorf und Eichbüchl wurde 2016 vom wissenschaftlichen Leiter des Forschungsprojektes „Die jüdische Bevölkerung der Region Bucklige Welt – Wechselland“ Werner Sulzgruber selbst übernommen. Im Vergleich zu den anderen von ihm untersuchten Gemeinden (Bad Erlach, Lanzenkirchen, Schwarzenbach und Walpersbach) und auch jenen der gesamten Region traten in den beiden Orten einige Besonderheiten zu Tage. Hier waren Juden beispielsweise Schlosseigentümer und Besitzer bzw. Pächter großer land- und viehwirtschaftlicher Betriebe.
Schloss Eichbüchl
„Wenngleich man sich der Bedeutung von Schloss Eichbüchl im Zusammenhang mit der Gründung der Zweiten Republik bewusst ist und die unwahre Geschichte erzählt wird, dass Erwin Rommel – der später im Zweiten Weltkrieg als „Wüstenfuchs“ (im Afrikafeldzug) berühmt gewordene Kommandant der Kriegsschule Wiener Neustadt (Militärakademie) und hoch dekorierter Generalfeldmarschall – dort gewohnt habe, so geriet die Tatsache nahezu in Vergessenheit, dass das Schloss vor 1938 in jüdischem Besitz gewesen war“, erzählt Sulzgruber. Denn kurz nach der Jahrhundertwende hatte die 47-jährige Witwe Ida Kary das Schloss erworben. Sie machte durch eine Reihe von sozialen Aktivitäten auf sich aufmerksam, zum Beispiel trat sie als „edle Förderin“ der Eichbüchler Feuerwehr in Erscheinung.
Mit dem „Anschluss“ 1938 war es auch gleichgültig, dass Sohn Stefan Kary römisch-katholisch verehelicht war, sondern der „Judenbesitz“ sollte rasch „arisiert“ werden, was schließlich durch den Kauf seitens einer sehr wohlhabenden reichsdeutschen Fabrikantin erfolgte.
Schloss Katzelsdorf
Aber auch das Schloss Katzelsdorf selbst steht mit jüdischen Wirtschaftstreibenden und Gutsherren in Verbindung, nämlich seit den späten 1920er-Jahren als Pferde-, Milch- und Landwirtschaft. Im Gutshof befand sich ein Trabergestüt der jüdischen Industriellenfamilie Trebitsch mit einem Pferderennstall. Die kostbaren Pferde wurden auf einer Trabrennbahn eigens trainiert und herangezogen. Zur Trebitsch-Dynastie zählten unter anderem der Textilindustrielle Leopold Trebitsch, Schriftsteller Siegfried Trebitsch, der Volkskundler Rudolf Trebitsch und der Literat und Philosoph Arthur Trebitsch. Letzterer erreichte wegen seiner Rassentheorien einen umstrittenen Ruf.
Der Wirtschaftshof des Schlosses Katzelsdorf befand sich in Pacht. Hans Donath hatte in seinem Meierhof rund 100 Milchkühe und produzierte vor allem „Olmützer Quargel“, der heute noch einigen Zeitzeugen in Erinnerung ist.
„Der Akademiker Ingenieur Doktor Andreas Kondor wiederum betrieb auf dem ‚Gut Katzelsdorf‘ eine ausgedehnte Land- und Viehwirtschaft. In kluger Weise führte er das Unternehmen in den 1930er-Jahren“, so Sulzgruber zu diesem Punkt seiner Forschungsarbeit.
1939 wurde das Areal schließlich zu einem Pferdelazarett der deutschen Wehrmacht. Das Schloss und fast alle dazugehörenden Liegenschaften waren Eigentum des deutschen Staates geworden, das hieß in der Nomenklatur der NS-Zeit, es „verfiel dem Deutschen Reich“.
Am weiteren Schicksal der Familie Kondor spiegelt sich die unglaubliche Odyssee mancher jüdischer Bewohner wider. Das Ehepaar konnte nach England ausreisen, aber dort nicht Fuß fassen. In der Folge nahm es den Weg nach Afrika auf sich, um im krisengeschüttelten Kenia in der Landwirtschaft tätig zu sein – was bis in die 1960er-Jahre der Fall war. Doch wegen der Unabhängigkeitskriege und der Vertreibung der „Weißen“ verloren beide neuerlich „den Boden unter ihren Füßen“. Schließlich wurden die britischen Inseln ihr letztes Zuhause.
Sommerfrische & Wein
Waren beruflichen Aktivitäten von Juden in der Land- und Viehwirtschaft in dieser Größenordnung zweifellos ungewöhnlich, so gab es im Vergleich dazu doch ein paar Weinhändler in der Region der Buckligen Welt und des Wechsellandes. In Katzelsdorf hatte der Weingroßhändler Philipp Mandl Eigentum und verpachtete seine Gastwirtschaft (später Gasthaus Langer, Hauptstraße 13). Er belieferte Gasthäuser und Zwischenhändler mit Wein aus Ungarn.
Das idyllische Katzelsdorf war zur Jahrhundertwende als Ort der Sommerfrische bekannt und profitierte von der Nähe zu Sauerbrunn. So manche Villa diente als Rückzugsort für die geldkräftigeren Städter, darunter auch Mitglieder der jüdischen Mittelschicht.
Aufruf
Zwar ist das Forschungsprojekt offiziell beendet, dennoch besteht weiterhin die folgende Bitte an alle Leser: Wenn Sie Informationen über die jüdische Bevölkerung in Katzelsdorf, aber auch in Bad Erlach, Lanzenkirchen, Schwarzenbach und Walpersbach haben, wenden Sie sich bitte an Dr. Werner Sulzgruber: 0676/736 61 21 oder werner_sulzgruber@hotmail.com