Auf der Gräden im Innenhof vom Wedl-Handler (1943, v.li.): Maria, Karl, Friederike, Johann und Elfriede Hagenhofer / Foto: Hagenhofer
Sofern es coronabedingt möglich ist, soll im Sommer das Buch „Halterbub und Hofrat“ von
Historiker Johann Hagenhofer erscheinen (der „Bote“ berichtete in der März-Ausgabe). Um die Wartezeit auf die spannenden Einblicke in sein bewegtes Leben zu verkürzen, bringen wir einen weiteren kleinen Auszug aus dem Buch unter dem Motto „Der brave Hansl und der schlimme Bertl“.
„Ich war beim Wedl-Handler seit der Russenzeit der ‚brave Hansl‘, weil ich während einer nächtlichen Flucht aus dem Haus gestolpert war, mir eine Kopfverletzung zugefügt, ziemlich stark geblutet, aber überhaupt nicht geweint hatte, damit uns die Russen nicht entdeckten. In Wahrheit war ich aber während meiner drei Jahre als Halterbub beim Wedl-Handler nicht immer so brav, wie fast alle glaubten. Schuld daran war der Steiner-Bertl. Der war um zehn Jahre älter als ich und sekkierte mit Vorliebe die Mägde. Ich bewunderte ihn wegen seines Mutes und er war für mich ein ganz großes Vorbild“, erinnert sich Hagenhofer. Ebenso entsinnt er sich, dass, egal was passiert war die Mägde schnell zu folgendem Schluss kamen: „Das war sicher wieder der Bertl, der Gauner.“
Ein Umstand, den der vielleicht doch nicht ganz so brave Hansl recht schnell zu seinem Vorteil zu nutzen wusste, wie etwa damals, als das elektrische Licht Einzug auf den Hof hielt: „Für mich war das elektrische Licht faszinierend. Eines Tages hatte ich eine Idee, die mich nicht mehr losließ. Ich wusste, dass die beiden Kuhmägde immer erst am Abend in den Stall zum Melken gingen, und ich stellte mir vor, welches Chaos dort ausbrechen müsse, wenn man ihnen während des Melkens das Licht abdrehte. So schlich ich an einem Abend während der Melkzeit zum Schalter, drehte das Licht ab und lauschte noch ein wenig, um zu hören, was sich da im Stall abspielte. Die beiden Mägde schrien laut auf und wollten mit den Melkkübeln in der Hand weg zum Schalter laufen. Barbara (Name geändert) stolperte, leerte dabei die Milch aus und schimpfte ganz unflätig. Auch die Kühe wurden unruhig. Jetzt war es höchste Zeit für mich, so schnell wie möglich durch den finsteren Innenhof in die Streuhütte zu flüchten. Dort setzte ich mich ins letzte Eck und hörte, wie die beiden Mägde den Bertl Steiner verfluchten.
Dann ließ ich einige Zeit vergehen, bis ich die ‚Aktion Kuhstall‘ wiederholte, insgesamt vier- oder fünfmal. Aber der Krug geht nur so lange zum Brunnen, bis er bricht, und die Mägde waren auch nicht so dumm, wie ich glaubte. Sie hatten überlegt, wohin der Täter so rasch flüchten konnte, ohne eine Türe zu öffnen. Denn das hätten sie ja hören müssen. Und so endete meine letzte Aktion katastrophal. Wieder drehte ich das Licht ab. Eigenartigerweise hörte ich keine Reaktionen im Stall, was mich schon etwas nervös machte. Ich wartete noch ein wenig zu, lief dann aber noch schneller als sonst in die Streuhütte. Dort wurde ich schon erwartet. Gleich beim Eingang packte mich eine Person beim Hals und versetzte mir ein paar heftige Watschen. Die Rächerin war die Barbara, die mich ganz zornig anschrie: ‚Und du willst der brave Hansl sein!‘ Insgesamt bekam ich in meinem ganzen Leben nur wenige Watschen. Aber diese erste war für mich sehr lehrreich.“
Dass dies nicht der letzte Streich des „braven Hansl“ blieb, werden wir in der nächsten Ausgabe noch genauer zeigen.