Gendarmeriegruppe in Kirchschlag 1921 / Foto: Archiv Vollnhofer
Der 5. September 1921 war ein prägender Tag für Kirchschlag, die Region, das Burgenland und letztlich für ganz Österreich. Die ungarischen Freischärler versuchten mit mehreren kämpferischen Auseinandersetzungen Deutsch-Westungarn als ungarisches Gebiet zu behaupten. Als eines der bedeutendsten und auch verlustreichsten gilt dabei das Gefecht von Kirchschlag mit mindestens 18 Toten. Genau 100 Jahre später sind die Geschehnisse Geschichte, die unter anderem in einer Sonderausstellung im Kirchschlager Stadtmuseum beleuchtet wird. Der historische Leiter, Franz Wanek, gab Victoria Schmidt für den „Boten“ Einblicke in die Geschichte hinter den ausgestellten Bildern und Objekten. Kastellan Josef Vollnhofer gab Cornelia Rehberger einen Einblick in sein umfangreiches Archiv zur regionalen Geschichte. Für unseren aktuellen Schwerpunkt haben wir die wichtigsten Ereignisse zusammengefasst.
Das Gefecht von Kirchschlag, das sich heuer am 5. September zum 100. Mal jährt, war der traurige Höhepunkt einer Entwicklung, die zwar am Schreibtisch bis auf das kleinste Detail ausverhandelt, in der Praxis dann aber doch nicht so einfach umzusetzen war. Um zu verstehen, wie es zu den dramatischen Ereignissen mit zahlreichen Toten und Verletzten kommen konnte, muss man noch ein Stück weiter in die Vergangenheit reisen, nämlich bis zur K.-u.-k.-Monarchie. Die Grenze zwischen dem Kaiserreich Österreich und dem Königreich Ungarn verlief rund zwei Kilometer südöstlich von Kirchschlag. Für die Menschen, die dies- und jenseits der Grenze lebten, war diese Trennung allerdings mehr symbolischer Natur. Ungarische Schnitter und Halterbuben arbeiteten etwa auf den österreichischen Bauernhöfen, österreichische Bürger nutzten die besseren Zinserträge und waren Kunden bei ungarischen Banken. Auch ein reger Schmuggel fand zwischen Kaiser- und Königreich statt.
Als die Donaumonarchie mit dem Ende des Ersten Weltkriegs zerfiel, wurden zunächst in den Friedensverhandlungen von St. Germain und später im Frieden von Trianon Teile Deutsch-Westungarns (das heutige Burgenland) Österreich zugesprochen. Dieser Entscheidung gingen zähe Verhandlungen der Entente-Mächte mit den österreichischen Delegierten voraus. Diese wiesen darauf hin, dass die deutsche Bevölkerung
Westungarns mit Österreich eng verbunden sei. Schließlich wurde Österreich ein Gebiet mit rund 250.000 Deutschen und einigen kroatischen und ungarischen Minderheiten zugesprochen.
Nein, nein, niemals
Am 4. Juni 1920 wurde der Vertrag von Trianon schließlich unterzeichnet und Ungarn musste sich verpflichten, dieses Gebiet an Österreich abzutreten. So einfach gestaltete sich diese „Landnahme“ aber in der Praxis nicht. Das Königreich Ungarn war im Frieden von Trianon bereits um zwei Drittel verkleinert worden und hatte etwa die Slowakei, Kroatien und Siebenbürgen verloren. Umso vehementer wehrten sich einige nationale Ungarn unter ihrem Anführer Pál Prónay. Ihr Leitspruch lautete: „Nem, nem, soha – Nein, nein, niemals“.
Am 26. Juli 1921 trat der Friedensvertrag von Trianon nach der Ratifizierung durch Ungarn und die Entente offiziell in Kraft und das Burgenland sollte an Österreich übergeben werden. Österreich wurde aufgetragen, die Landnahme ausschließlich durch Gendarmerie und Zollwache, allerdings ohne Militär vorzunehmen. Doch die Rechnung hatte man ohne die sogenannten Freischärler gemacht. Schon bald stießen die Gendarmen, die ins Burgenland einmarschierten, auf heftigen Widerstand der Freischärler. Diese setzten sich zum Großteil aus ehemaligen ungarischen Frontkämpfern und Studenten zusammen und hatten ein gemeinsames Ziel: die Übernahme des Landes durch die österreichische Gendarmerie zu verhindern. Der ungarische Staat durfte offiziell nicht eingreifen.
Unsicherheit wächst
Mit wachsender Sorge verfolgten die Menschen in und rund um Kirchschlag die Berichte von blutigen Zusammenstößen zwischen Gendarmen und Freischärlern. So war etwa bekannt, dass in Bernstein unter dem Kommando von Emmerich Egan eine Freischärler-Gruppe Stellung bezogen hatte und durch kleinere Angriffe die Gendarmerieposten daran zu hindern versuchte, in das Kampfgeschehen einzugreifen.
Immer wieder fanden kleinere Gefechte im ehemaligen Deutsch-Westungarn statt. Zunächst gelang es den Freischärlern, wichtige Gebiete für sich einzunehmen und die Gendarmen immer weiter in Richtung österreichische Grenze zu vertreiben.
In der militärhistorischen Schriftenreihe ist in Heft 16, „Die Kämpfe um das Burgenland 1921“ über die Ereignisse rund um den 5. September zu lesen: „Nach Kirchschlag kam die Meldung vom Überfall auf Deutsch Gerisdorf um fünf Uhr früh durch. Der überfallene Gendarmerieposten meldete, dass er von einer großen Übermacht angegriffen werde und sich zurückziehen müsse. Fast zur gleichen Zeit traf die Nachricht ein, dass auch der Posten von Lebenbrunn von Banditen beschossen werde.“