Die Burg Seebenstein wacht über dem Pittental / Foto: Steinbichler

Man kann wohl behaupten, dass sie jeder kennt: Die Burg Seebenstein begrüßt verlässlich Tag für Tag viele Menschen auf dem täglichen Weg zur Arbeit oder Schule durchs Pittental, sei es per Bahn, Bus oder Auto. Seit Jahrhunderten wacht sie auf dem Schlossberg über den Ort. Würde in der Sage vom See im Pittental ein wahrer Kern stecken, so wäre die Burg wie ein steinernes Schiff, das mit spitzem Bug Richtung Pitten zeigt. Welche Schätze und idyllischen Ecken im Inneren verborgen liegen, ist vielleicht nicht jedem bekannt, weshalb man sich einen Besuch dieser Burg wie aus dem Märchenbuch nicht entgehen lassen sollte!

Im Mittelalter gehörte die Bucklige Welt weitgehend zur Grafschaft Pitten – ein zu dieser Zeit noch unberührter Landstrich, der bezeichnenderweise auch „Waldmark“ genannt wurde. Damals war die heutige Landesgrenze zum Burgenland die Grenze zum über viele Jahrhunderte feindlichen Ungarn. Daher waren Angriffe und Eroberungszüge immer zu befürchten. Zum Schutz wurden stark befestigte Burgen erbaut. Diese historisch bedeutenden Kulturgüter bereichern und prägen bis heute unsere Region: oft nur noch als Ruinen, manchmal aber immer noch als stolze Festungen – wie im Fall der Burg Seebenstein.

Ein Wehrbau mit langer, wechselhafter Geschichte

Die Burg dürfte schon Mitte des 11. Jahrhunderts erbaut worden sein – nach der Burg Pitten und neben einem Dutzend weiterer Burgen als strategisch wichtige Wehranlage der Waldmark. Um 1096 soll sie im Besitz von Markgräfin Itha, der Witwe des Babenberger-Herzogs Leopold II.  gewesen sein, was historisch jedoch nicht einwandfrei belegt ist. Erst 1170 wird die Burg erstmals als „Sewenstein“ urkundlich erwähnt; aus der Erbauungszeit stammt das romanische Mauerwerk des ovalen Bergfrieds und des innersten Burgkerns im Bereich des Kerkers. In den folgenden Jahrhunderten wurde die Burg laufend ausgebaut, erweitert und stärker befestigt. 

Unter den Besitzern wechselten sich große Namen ab, darunter die Wildensteiner, Liechtensteiner, Seebäcker und Königsberger. Im Jahr 1488 soll die Burg der Belagerung des Ungarnkönigs Matthias Corvinus standgehalten haben. Anfang des 17. Jahrhunderts ließ der Königsberger Wolf Matthäus die Burg zu einem prächtigen Renaissance-Schloss erweitern, 1683 bot die mächtige Anlage während des Türkensturms Hunderten von Flüchtenden der umliegenden Dörfer Schutz. 

Wenig später übernahmen die Grafen von Pergen Burg und Herrschaft, errichteten jedoch das (1954 abgerissene) „Talschloss“ samt Schlosspark als neuen zeitgemäßen Sitz. 

Die verlassene Höhenburg verwaiste immer mehr, bis sie 1772 von Anton David Steiger gepachtet wurde. Von Berufs wegen Zahlmeister der Wiener Neustädter Militärakademie und Mineraloge aus Leidenschaft, nahm er die Renovierung der Burg in Angriff. Nicht nur seine bedeutende Mineralien- und Hölzersammlung zog in die Burg ein, sondern auch ein etwas außergewöhnlicher Zeitvertreib: 1790 gründete Steiger die „Wildensteiner Ritterschaft zur blauen Erde“ – eine Gesellschaft, die sich der Pflege des Rittertums verpflichtete. Prominente Mitglieder waren unter anderem Erzherzog Johann oder der spätere deutsche Kaiser Wilhelm I. 

Ritterspiele

In eigener Rittertracht ritt die Gesellschaft den Burgweg empor und wurde von Burgvogt Kuno in Empfang genommen. Es folgten Ritterspiele, Turniere, Festmahle, Messen in der Kapelle und gruselige Geschichten im Kerker. 1811 besuchte sogar Kaiser Franz I. Steiger auf seiner Burg und zeigte sich von der Anlage und den Sammlungen beeindruckt. Doch zwölf Jahre später befahl er die Auflösung der „Wildensteiner Ritterschaft“, da er in ihr einen verschwörerischen Geheimbund vermutete.

Bucklige Zeitreisen-Tipp: Herbstausflug zur Burg

Ihr heutiges Aussehen erhielt die Burg unter dem Besitzer nach Steiger, dem Fürsten Johann I. Josef von Liechtenstein. Dieser erwarb Seebenstein 1824, ließ das Bergschloss weiter romantisch ausgestalten und aufwendig einrichten. Gleichzeitig wurde der älteste Teil der Burg künstlich in ruinösen Zustand versetzt – auch dies war damals Mode. Eines der inneren Burgtore wurde demoliert und abgetragen. Dass Fürst Liechtenstein mit diesen Steinen wenige Kilometer weiter südlich den „Türkensturz“ als künstliche Ruine und romantischen Landschaftsschmuck errichten ließ, ist eine von vielen Informationen, die man bei einer Führung aus erster Hand erzählt bekommt.

Diese werden von Helmut Trimmel und Johannes Lechner noch bis 26. Oktober jeweils an Samstagen, Sonn- und Feiertagen um 14 und 15 Uhr angeboten. Dabei werden Einblicke in die prunkvollen Räume mit einer Vielzahl von historischen Möbeln und einzigartigen Kunstgegenständen geboten. Nicht minder beeindruckend sind zauberhafte Winkel und Orte wie der Schlosshof – mit idyllischer Zisterne und einem an die 300 Jahre alten Efeustock an den Schlossmauern. Kein Wunder, dass diese Burg wie aus dem Märchenbuch auch schon mehrmals als Filmkulisse diente. Die Führung lässt sich mit einer Wanderung auf den Schlossberg zu einem idealen Herbstausflug für die ganze Familie kombinieren. 

Aufruf

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Fotos: Steinbichler