Verborgen im Wald und fast vergessen: Das ehemalige E-Werk / Foto: Steinbichler

Es ist heute nahezu kaum vorstellbar, dass unsere Welt jahrtausendelang ohne Strom ausgekommen ist: Kaum etwas funktioniert noch stromlos. Die Elektrizität kam allerdings erst um die Wende vom 19. zum 20 Jahrhundert in die Bucklige Welt. Das erste Kraftwerk der Region wurde 1901 in Aspang erbaut, die beiden Francis-Spiralturbinen sorgen bis heute für Strom aus Wasserkraft. Zahlreiche kleinere und größere Kraftwerke folgten, bis gegen Ende der 1960er-Jahre die vollständige Versorgung aus dem öffentlichen Stromnetz gewährleistet war. Auch heute wird regionaler sauberer Strom erzeugt, etwa von den Elektrizitätswerken Eisenhuber in der Molz und an der Feistritz oder von zwei Wasserkraftwerken des Forstbetriebs Mariensee am Pestingbach. Eines der frühesten E-Werke geriet hingegen weitgehend in Vergessenheit: 1921 wurde im Mönichkirchner Pfeffergraben, direkt am Tauchenbach und damit an der Landesgrenze zur Steiermark, ein kleines E-Werk errichtet, mit einer wechselhaften, sehr persönlichen Geschichte.

Vom Elektrizitätswerk zum Wohnhaus ohne Strom

Ihre Erzählung aus erster Hand verdanken wir dem Umstand, dass sich jemand auf unseren Aufruf nach interessanten Orten gemeldet hat: Ludwig Schuckert aus Guntrams, treuer Leser des „Boten“, schrieb folgende Zeilen an die Redaktion: „Ich wurde 1951 in Mönichkirchen in einem bislang ziemlich vergessenen Gebäude, welches sich heute noch im Familienbesitz befindet, geboren.“ Schon diese Zeilen machten unseren Fotografen neugierig und die weitere spannende Geschichte des Hauses führte schließlich zu einem gemeinsamen Besuch vor Ort. Bis heute gibt es keine befestigte Zufahrt, sondern nur einen „Ochsenkarrenweg“, der noch von Schuckerts Vater mit Krampen und Schaufel hergerichtet worden war. Nur zu Fuß gelangt man zum ehemaligen Elektrizitätswerk, das heuer vor 100 Jahren in einem schluchtartigen Abschnitt des Pfeffergrabens errichtet wurde, knapp oberhalb der heute verfallenen „Rittermühle“. Es war damit ein erster Stromlieferant im Gebiet von Mönichkirchen und versorgte einige Hotels (etwa das Hotel Lang), Gaststätten und einzelne Bauerngehöfte in Mönichkirchen mit Lichtstrom. Betrieben wurde es von Schuckerts Großvater Oskar Handschmann, der 1929 im Alter von nur 32 Jahren verstarb. Seine Frau Aloisia musste das E-Werk weiter betreuen, was als Witwe mit drei kleinen Kindern an diesem abgelegenen Standort bestimmt keine leichte Aufgabe gewesen war.

Im Frühjahr 1945 wurden Turbine und Stromgenerator von russischen Besatzungssoldaten beschlagnahmt und in die Sowjetunion verbracht – „Gut möglich, dass diese Turbine bis heute läuft, allerdings irgendwo im tiefsten Sibirien!“, überlegt Ludwig Schuckert im Gespräch mit Markus Steinbichler. Dabei suchen sie nach Resten der ehemaligen, rund 800 Meter langen Zuleitung des Bachwassers. Die Rinnen aus Lärchenholz sind inzwischen verschwunden, steinerne Stützmauern und ein betoniertes Staubecken sind heute noch im Wald zu entdecken. Am Gebäude selbst erinnert nichts mehr an die frühere Nutzung. Über das Zuhause seiner Kindheit erzählt Schuckert: „Obwohl das Gebäude einst ein E-Werk war, war es nach 1945 bis 1980 ohne Stromversorgung! Ich wuchs also gemeinsam mit vier Geschwistern ohne Strom auf, als Lichtquellen dienten uns Petroleumlampen.“

Im Februar 1980 kam endlich über den damaligen Bürgermeister Fridolin Hietel der Stromanschluss ins Haus. Quasi als Geschenk zur Pensionierung von Ludwig Schuckerts Vater, der Gemeindebediensteter in Mönichkirchen war. Die frohe Botschaft „Das Licht ist da!“ konnte er seinem Sohn immerhin schon am wenige Jahre zuvor eingeleiteten Telefon überbringen.

Elektrisierende Geschichte – hautnah erzählt!

Zurück in der Gegenwart und beim Schreiben dieses Artikels konnte Markus Steinbichler eines einmal mehr feststellen: Dass für ihn besonders jene Orte spannend und bewegend sind, deren Geschichte man bei persönlichen Begegnungen zum Greifen nah und aus erster Hand erzählt bekommt. Viele interessante Menschen durfte er in den letzten Jahren kennenlernen und ihren Erzählungen über alte, kaum bekannte Gebäude zuhören. „Es elektrisiert förmlich, Geschichte hautnah überliefert zu bekommen. Lebendige Erinnerungen faszinieren mich mehr als trockene Fakten und stumme Chroniken. Ich würde mich freuen, wenn sich noch mehr Menschen mit Geschichte(n) zu besonderen Orten oder Gebäuden bei uns melden würden!“ Denn für ihn gilt es, noch viele gemeinsame „Bucklige Zeitreisen“ zu unternehmen, um beinahe Vergessenes weiterzuerzählen und somit zu bewahren.

Aufruf
Wenn auch Sie einen historisch interessanten Ort oder ein verlassenes Gebäude mit spannender Geschichte in der Region kennen, erzählen Sie uns davon: redaktion@bote-bw.at