Alt-Obmann Fritz Trimmel, die neue Obfrau Michaela Walla und Obfrau-Stv., Kleinregions-Obmann Willibald Fuchs / Foto: Piri
Vor 15 Jahren schloss sich das niederösterreichische Wechselland mit der Buckligen Welt zusammen, um gemeinsam erfolgreicher Projekte für die Region umzusetzen. Derzeit wird an der Strategie für die neue Leader-Periode gefeilt. Wir sprachen daher mit dem Obmann der Kleinregion Wechselland, Regionsobfrau-Stellvertreter und dem Bürgermeister von Kirchberg am Wechsel, Willibald Fuchs, über die Leader-Bilanz „seiner“ Region, spannende Entwicklungen und zukunftsweisende Ideen, die eher im Stillen umgesetzt werden.
Bote: Das Wechselland ist seit 15 Jahren Teil der Leader-Region Bucklige Welt – Wechselland. Als Bürgermeister, Obmann der Kleinregion Wechselland und Obfrau-Stellvertreter der Leader-Region waren Sie von Anfang an in die Projektentwicklungen eingebunden. Wie sieht Ihre Bilanz aus?
Bgm. Willibald Fuchs: Wir als Wechselland haben sicher sehr davon profitiert, dass wir mit der Buckligen Welt und insbesondere mit dem langjährigen Obmann Fritz Trimmel und seinem Team vom Regionsbüro zusammenarbeiten konnten. Wir haben bei vielen Projekten aktiv mitgearbeitet. Ich glaube auch, dass wir interessante Beiträge liefern konnten – obwohl wir nur acht Gemeinden sind, im Vergleich zu den 23 Gemeinden der Buckligen Welt. Vielleicht wird das von außen nicht so sehr wahrgenommen. Das liegt an unserem Zugang. Wir schreien nicht laut, wir sind ruhig, nehmen das raus, was wir brauchen können, machen darum aber nicht viel Tamtam. Das können die anderen besser. Wenn ich mir aber ansehe, was alles entstanden ist, Leuchtturmprojekte wie die Wexl Trails oder der Molzbachhof, da können wir mit der Buckligen Welt leicht mithalten. Dieser Weg ist vielleicht unscheinbarer. Wir verkaufen uns nicht so stark wie die Bucklige Welt, die ihre Marke enorm entwickelt hat.
Bote: Sie machen vielleicht nicht so viel Tamtam, es passiert aber trotzdem so einiges, das man meist erst sieht, wenn es plötzlich da ist. Jüngstes Beispiel ist das Leader-Projekt Blackout-Vorsorge im Feistritztal. Wie kam es dazu?
Fuchs: Genau das ist ganz typisch für uns. Wir haben schon 2017 damit begonnen, da hat noch kein Mensch von Blackout gesprochen. Aufgrund unserer Einzigartigkeit der Lage, der Abgeschlossenheit und Überschaubarkeit haben wir beschlossen, dass wir in einer Krisensituation zusammenhalten müssen. 2019 waren wir eigentlich schon fertig, wollten kurz vor der Wahl aber nicht mit Katastrophen-Szenarien verunsichern. Durch die dann folgenden Lockdowns konnten wir keine große Veranstaltung für die Öffentlichkeit planen. Intern sind wir aber komplett organisiert, wir wissen, welche Infrastrukturen wir aufrechterhalten müssen und sind in der Blackout-Vorsorge sehr weit. Trotzdem ist es wichtig, dass jeder Haushalt selber Vorkehrungen trifft. Wir können die kommunale Infrastruktur aufrechterhalten, schauen, das auch Feuerwehr und Rettung funktionieren. Für die private Eigenversorgung muss jeder selbst trachten.
Bote: Welche wichtigen Leader-Projekte gab es noch im Wechselland?
Fuchs: Das waren viele kleinere. Angefangen mit der Beleuchtung der Hermannshöhle bis hin zu einem Teil der Wexl Trails, der über Leader finanziert wurde. Natürlich profitieren auch die Nachbarorte, wenn in einer Gemeinde etwas erfolgreich umgesetzt wird. Das ist ein wesentlicher Punkt, den wir durch die Leader-Strukturen geschafft haben – das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass wir zusammenarbeiten müssen, um gegenseitig voneinander zu profitieren. Das erfordert auch wechselseitiges Vertrauen. Ein Beispiel für diese Zusammenarbeit ist etwa der Radweg durch das Feistritztal. Keine Gemeinde kann alleine einen sinnvollen Radweg schaffen, da braucht es die Zusammenarbeit. Einem Touristen ist es doch egal, in welcher Gemeinde er sich befindet, der will einfach die passende Infrastruktur. Durch diesen Zusammenhalt ist vieles gelungen.
Bote: Abgesehen von Leader hat die Gemeinde Kirchberg kürzlich mit einem weiteren Projekt aufhorchen lassen – einem Primärversorgungszentrum mitten im Ort. Eine Gesundheitseinrichtung, wie sie schon in einigen Gemeinden angedacht wurde, ist hier offenbar bereits erfolgreich umgesetzt. Wie ist das gelungen?
Fuchs: Wir wollten ein Primärversorgungszentrum, einerseits, um die Gesundheitsversorgung sicherzustellen, und andererseits, um den Ortskern zu beleben. Das ist uns gelungen, weil wir einen Arzt gefunden haben, der mit uns an einem Strang zieht. Und wir haben es geschafft, indem wir es einfach gemacht haben. Die Gemeinde hat ein Grundstück in bester Lage ausgewählt und gemeinsam mit den Experten geplant und gebaut. Die Ärzte haben mit dem Architekten zusammengearbeitet, sodass ein Zentrum entstanden ist, das auch für die praktischen Anforderungen bes-tens gerüstet ist.
Bote: Mit der Erlebnisarena in St. Corona und Mönichkirchen-Mariensee hat sich in den letzten Jahren touristisch sehr viel getan im Wechselgebiet. Welche Auswirkungen hat das auf die gesamte Kleinregion?
Fuchs: Die Erlebnisarena rund um Karl Morgenbesser hat eine unglaubliche Dynamik entwickelt. Als wir das erste Mal gehört haben, dass die dort Trails bauen wollen, hat keiner gewusst, was die vorhaben und wozu. Heute ist das ein touristisches Leuchtturmprojekt. Daran sieht man, dass es wichtig ist, junge Leute mit tollen Visionen Dinge umsetzen zu lassen. Das ganze Thema E-Biken hat gewaltig eingeschlagen. Das bringt eine Frequenz, die unglaublich ist. Nur ein kleines Beispiel: Ein Kirchberger hat sich mit seinem E-Bike-Verleih selbstständig gemacht – ein Unternehmer, der im Windschatten dieser Entwicklung entstanden ist. Das ist nur eines von vielen Beispielen. Da reden wir noch nicht von Nächtigungen oder Sportartikelverkäufen. Das Gleiche gilt für Mönichkirchen, wo auch viel in ein modernes Angebot investiert wird. Das sind Punkte, bei denen wir zu Recht stolz sagen können: Das Wechselland hat sich sehr gut entwickelt.
Bote: Diese Entwicklungen und die gesteigerten Gästezahlen bringen aber auch Herausforderungen mit sich – wie reagiert die Region darauf?
Fuchs: Für uns besteht die Herausforderung darin, die Spitzen abzuflachen, also dafür zu sorgen, dass die Tagesgäste nicht alle zur selben Zeit kommen, sondern dass sich das Besucheraufkommen besser auf den Tag und die Woche verteilt. Wir wissen aber noch nicht, ob dieser Boom, der aufgrund von Corona im letzten Jahr entstanden ist, in den kommenden Jahren weitergehen wird. Es wird sicher einiges bleiben, aber ich glaube, ein derart massiver Ansturm wird wohl kein weiteres Mal zu erwarten sein.
Bote: Die Leader-Region befindet sich derzeit in der Strategie-Phase für die nächste Förderperiode ab 2023. Im Jänner fanden dazu bereits die ersten Workshops statt. Einer der Schwerpunkte betrifft die Besucherlenkung. Welche Projekte wären für das Wechselland denkbar?
Fuchs: Das ist genau unser Thema. Wir müssen die Gäste so lenken, dass wir sie am besten bedienen können. Ein Beispiel: Wenn jemand zu uns in die Region kommt und dann keinen Platz findet, wo er sein Auto abstellen kann, ist er enttäuscht. Es geht also darum, ein Angebot zu schaffen, mit dem die Besucher zufrieden sind und sie dann gerne wieder kommen. Wir legen nun in einem ersten Schritt die Strategie fest. Die konkreten Projekte kommen dann von den Akteuren vor Ort.
Bote: Welcher Leader-Schwerpunkt ist für das Wechselgebiet noch wichtig?
Fuchs: Das ist ganz klar das Thema Wertschöpfung. Wir müssen schauen, dass die Wertschöpfung in der Region bleibt. Wenn wir wieder den Tourismus als Beispiel nehmen: Der Gast, der kommt, ist bereit, hier Geld auszugeben – vorausgesetzt, er findet ein entsprechendes Angebot. Etwa wenn man auf den Wechsel wandern geht – da braucht es mehr Möglichkeiten der Einkehr. Wir haben sehr viele Besucher, wir sind eine beliebte Region und da kann man das Angebot noch ausbauen, damit der Gast auch gerne mehr Geld in der Region lässt. Nicht, indem wir ihn schröpfen, sondern indem er gerne etwas konsumiert.
Bote: Wo steht denn das Wechselgebiet grundsätzlich in seiner touristischen Entwicklung?
Fuchs: Wir haben noch viel Potenzial, wie sich bei den starken Besuchertagen gezeigt hat. Nehmen wir als Beispiel die Steyersberger Schwaig als Ausflugsziel für Langläufer. An Spitzentagen kamen rund 400 Gäste. Natürlich nicht alle gleichzeitig. Ein guter Langläufer ist vielleicht zwei Stunden unterwegs. Dann setzt er sich ins Auto und fährt wieder nach Hause. Und diese Gäste könnte man in der Region noch viel länger halten. Weil sie essen gehen, einen Sportartikel einkaufen oder sich ein anderes Ausflugsziel anschauen. Da schlummert ein enormes Entwicklungspoten-zial, wofür Leader-Fördermittel gut eingesetzt werden können.
Bote: In der Leader-Strategie sind Schwerpunkte von der Wirtschaft bis zur Bildung angedacht. Wo gibt es in diesen Bereichen für das Wechselland Anknüpfungspunkte?
Fuchs: Wir werden in jedem Themenfeld unsere Ansatzpunkte finden. Der Tourismus ist für uns natürlich das größere Thema. Aber auch in Sachen Kulinarik oder regionale Geschichte werden wir uns einbringen. Ein ganz wichtiger Bereich betrifft die Bildung. Wir waren von Anfang an bei dem Projekt „Bildung wächst“ dabei und da hat sich in den Schulen sehr viel bewegt. Das ist ein Projekt, wo die Veränderung nicht von oben kommt, sondern wo die Schulen von der Basis her verändert und weiterentwickelt werden – ein großartiges Projekt, bei dem es ganz wichtig ist, es weiterzuführen.
Bote: Sie haben die gute Zusammenarbeit mit dem langjährigen Regionsobmann Fritz Trimmel angesprochen. Seit letztem Sommer gibt es mit Michaela Walla eine neue Obfrau. Wie funktioniert diese neue Zusammenarbeit?
Fuchs: Die funktioniert hervorragend. Michaela Walla ist unglaublich um die Region bemüht, wir kennen uns als Bürgermeister-Kollegen auch schon lange und stimmen uns laufend ab. Wir sind nun gemeinsam am Entwickeln der neuen Strategie und aus Sicht des Wechsellands wird es mindestens ebenso gut weitergehen wie in den letzten 15 Jahren. Die neue Obfrau hat einen unglaublichen Rückhalt in der Buckligen Welt, genießt große Wertschätzung in den Gemeinden und daher wird das auch in Zukunft sehr gut funktionieren.