Amtsübergabe: Der langjährige Bad Erlacher Bürgermeister und Abg. zum Nationalrat a. D. Hans Rädler übergab Ende letzten Jahres an die nächste Generation. Neue Bürgermeisterin ist Bärbel Stockinger. Harald Wrede folgte Alois Hahn als Vizebürgermeister nach. / Foto: Marktgemeinde Bad Erlach
Seit zwei Monaten hat Bad Erlach eine neue Gemeindeführung. Nachdem sich der langjährige Bürgermeister Hans Rädler und Vizebürgermeister Alois Hahn wie angekündigt mit Ende des Jahres zurückgezogen haben, übernahmen Bärbel Stockinger und Harald Wrede diese Aufgabe. Der „Bote“ sprach mit der neuen Bürgermeisterin über die ersten Wochen im Amt und über ihre Pläne für die Thermen-
gemeinde.
Bote: Sie sind seit knapp zwei Monaten als Bürgermeisterin von Bad Erlach im Amt. Haben Sie sich schon eingelebt?
Bgm. Bärbel Stockinger: Ich hatte einen Vorteil, weil mein Vorgänger Hans Rädler das wirklich in einer traumhaften Art gemacht hat. Ab spätestens Juli letzten Jahres wurde ich von ihm und der Amtsleitung in alles eingebunden. Dadurch hatte ich auch nicht das Problem, von den laufenden Geschäften nichts zu wissen. Aber: Ja, es ist doch noch mal etwas anderes, als Gemeinderat zu sein.
Bote: Sie sind seit 2005 im Gemeinderat. War für Sie das Amt der Bürgermeisterin ein Karriereziel?
Stockinger: Nein, eigentlich war nicht einmal die Funktion als Gemeinderätin ein Ziel, das ich hatte. Als mich mein Vorgänger 2005 gefragt hat, ob ich mitmachen möchte, hatte ich zuvor weder mit der Gemeindepartei noch mit der Kommunalpolitik irgendetwas zu tun. Aber ich bin Menschen in der Partei aufgefallen und als ich gefragt wurde, habe ich gesagt: Ja, ich unterstütze den Weg, den Hans Rädler für die Gemeinde eingeschlagen hat. Als dann klar war, dass innerhalb dieser Periode ein Wechsel an der Spitze stattfinden wird, hat es keinerlei Grabenkämpfe gegeben. Viele Parteimitglieder und Gemeinderäte haben mich darauf angesprochen, ob ich das Amt der Bürgermeisterin übernehmen würde, weil sie hinter mir stehen und mir das zutrauen würden. Und so bin ich da richtig hineingewachsen und man kann sagen: Ich bin angekommen.
Bote: Stichwort Grabenkämpfe: Ist es mittlerweile nicht eher umgekehrt, also dass es schwierig ist, jemanden zu finden, der „Bürgermeister“ sein will?
Stockinger: Es ist mittlerweile wirklich schwer. Früher war das auch im Nebenberuf möglich. Die Aufgaben in der Verwaltung einer Gemeinde und auch jene eines Bürgermeisters sind aber in den letzten Jahrzehnten so massiv gestiegen, in einigen Bereichen ist man auch persönlich haftbar, und das mit einem Verdienst, für den das kein Mensch mit dieser Verantwortung in der Privatwirtschaft machen würde. Das trägt natürlich nicht zur Attraktivität des Berufs bei und mittlerweile gibt es auch massive Nachwuchsprobleme in der Kommunalpolitik. Wir leben allerdings in einer Zeit, in der die Politikergehälter permanent in der Kritik stehen. Da sprechen wir aber von den Spitzenjobs, wovon wir auf kommunaler Ebene weit entfernt sind. Also wegen der Bezahlung macht das ganz bestimmt kein Bürgermeister.
Bote: Wie ist das bei Ihnen? Wie viel Zeit werden Sie ihrem neuen Amt widmen?
Stockinger: Ich bin hauptberuflich Bürgermeisterin. Da ich auch zwei kleine Kinder habe, wäre das nebenbei nicht denkbar. Warum ich es trotzdem mache? Weil ich mir keinen schöneren Beruf vorstellen kann.
Bote: Was macht das Schöne an Ihrem Beruf aus?
Stockinger: Dass man für seine Mitbürger und mit den Mitbürgern gemeinsam positiv an der Gestaltung des Zusammenlebens arbeiten und dieses gestalten kann. Und die Vielfalt der Themengebiete, mit denen man zu tun hat. Jeder Tag bringt immer neue, andere Aufgaben und Herausforderungen – vom Schulwesen über Straßenbau oder Wasserversorgung bis hin zur Digitalisierung.
Bote: Wie viel von diesen vielfältigen Anforderungen haben Sie in ihren ersten zwei Monaten bereits kennengelernt? Gab es eine Schonfrist?
Stockinger (lacht): Nein, Schonfrist gab es keine. Es hat aber durch meine Erfahrung im Gemeinderat trotzdem gut funktioniert. Die ersten großen Themen betreffen den Glasfaser-Ausbau und die Entwicklung unserer neuen Dachmarke, an der wir schon lange im Hintergrund gearbeitet haben und die wir den Unternehmern kürzlich beim Wirtschaftsempfang präsentiert haben. Uns ist es wichtig, dass die politischen Bemühungen, durch die Erlach diesen großen Aufschwung zu Bad Erlach erlebt hat, der Bevölkerung, den Unternehmern oder Vereinen zugutekommen. Das ist unsere große Aufgabe in den nächsten Jahren: dass der Erfolg, den wir haben, ankommt – bei jedem Einzelnen. Ein weiteres wichtiges Thema ist für uns der künftige Führungsstil in der Gemeinde, was auch mit dem Zeitgeist zusammenhängt. Ich komme aus einer Generation, in der hierarchische Strukturen nicht mehr so geschätzt werden, sondern in der es um Teamarbeit geht, etwas, das wir im Gemeinderat bereits hervorragend leben. Das wollen wir nun zu den Bürgern hinaustragen. Politikverdrossenheit gibt es, das kann man nicht wegdiskutieren, ich würde es eher als Parteiverdrossenheit bezeichnen. Auf der anderen Seite sind die Bürger mehr denn je dazu bereit, aktiv an Projekten mitzuarbeiten – nicht bei der Partei, aber wenn es darum geht, gemeinsam etwas Positives für die Gemeinde zu schaffen. Dafür wollen wir die Gemeindebürger gewinnen.
Bote: Wie soll diese neue Arbeitsweise in der Praxis funktionieren?
Stockinger: Wir wollen alle Generationen abholen. Daher gibt es zum einen die Möglichkeit, sich in digitaler Form einzubringen, etwa über Online-Befragungen, die man auch von zu Hause aus machen kann. Zum anderen werden wir aber auch, gerade was die Entwicklung des Ortszentrums betrifft, massiv auf Bürgerbeteiligung setzen. Dies wird professionell aufgesetzt, mit einer Partnerfirma, die dafür sorgt, dass die unterschiedlichen Wünsche, unter anderem im Rahmen von Workshops, gesammelt werden. So bekommen wir einen Querschnitt aus der Bevölkerung, sodass wirklich alle Altersgruppen, Berufe, aber auch Menschen aus unterschiedlichen Siedlungen entsprechend abgebildet sind. Natürlich haben auch wir seitens des Gemeinderats Wünsche, die wir kommunizieren werden, aber wichtig ist: Gemeinde sind wir alle.
Bote: Welche Möglichkeiten gibt es für das neue Ortzentrum, vor allem im Hinblick auf die Verkehrssituation?
Stockinger: Die Gemeinde hat den ehemaligen „Kattinger-Hof“ inklusive danebenliegender Grünfläche angekauft. Eine der großen Herausforderungen betrifft dabei die Parkplatzsituation und da gibt es seitens der Gemeinde bereits den Wunsch, eine Tiefgarage zu errichten. Zur Landesstraße: Die stellt natürlich ein Problem dar, weil wir das hohe Verkehrsaufkommen durch den Ort nicht wegbekommen. Aber auch hier versuchen wir, Lösungen zu finden.
Bote: Es gab die Ankündigung, bei der Kreuzung auf Höhe der Apotheke einen Kreisverkehr zu errichten. Kommt der?
Stockinger: Der Kreisverkehr ist in der Planung der Straßenbauabteilung vorgesehen, weil es sich um eine Landesstraße handelt. Wir haben dazu bereits eine fixfertige Lösung ausgearbeitet. Und dann – und das ist oft so in der Kommunalpolitik – kommt etwas dazu, das noch bedacht werden muss. In diesem Fall geht es um eine geplante Unterführung beim Bahnübergang.
Bote: Bad Erlach soll eine Unterführung bekommen?
Stockinger: Das ist ein Wunsch von Land NÖ und ÖBB. Alle stark befahrenen Landesstraßen sollen in Zukunft dort, wo sie die Bahn kreuzen, eine Unterführung bekommen. Einerseits wegen des Sicherheitsaspektes, andererseits können Züge dann schneller fahren. Ein weiterer Punkt, der rund um den geplanten Kreisverkehr dazukommt: Spar hat erst kürzlich groß ausgebaut – jetzt will auch Billa die Filiale in unmittelbarer Nähe zu der betreffenden Kreuzung erweitern. Natürlich wird der Kreisverkehr dadurch umso nötiger; wir müssen jetzt aber mit Land und Rewe-Konzern klären, wie der Bauzeitplan für diese Projekte aussieht.
Bote: Ihr Vorgänger war bekannt für seine Visionen,von denen sich einige auch im Ortsbild widerspiegeln, angefangen bei der Therme Linsberg bis zu den Gesundheitseinrichtungen. Was sind Ihre Visionen?
Stockinger: Meine große Vision ist, dass der Erfolg und die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte bei der Bevölkerung ankommen, dass jeder Bürger davon profitiert. Es gibt aber auch noch Hausaufgaben zu erledigen bei Projekten, die bereits laufen, Stichwort Fernwärme- und Glasfaser-Ausbau. Wir haben den Weg zur Gesundheits- und Wellness-Gemeinde bewusst eingeschlagen: ein Weg, der auch sehr erfolgreich ist, mit 1.400 Beschäftigten im Ort. Sollten sich seriöse Partner finden, die rund um Linsberg Asia in ein Projekt investieren wollen, dann werden wir das unterstützen. Eine große Vision betrifft eben das Ortszentrum, weil wir in Erlach historisch nie einen Hauptplatz hatten. Wir wollen einen Platz der Kommunikation und des Austauschs schaffen, einen Platz für das Miteinander in der Gemeinde. Und dieses „mehr Miteinander“ ist mein größtes Ziel.
Bote: Gibt es bereits erste konkrete Wünsche für dieses neue Ortszentrum?
Stockinger: Immer wieder ist darüber gesprochen worden, das ganze Gemeindezentrum zu verlagern. Das hätte gleich mehrere Vorteile, denn einerseits wäre es dann mitten im Ortszentrum, andererseits stößt das bestehende Gemeindehaus an seine Platzgrenzen. Das Gebäude, in dem sich der Veranstaltungssaal und das Gemeindeamt befinden, ist außerdem sehr alt und verursacht entsprechende Heiz- und Energiekosten. Ein weiterer Vorteil eines neuen Standorts: Wir wollen als Gemeinde erste Service-Stelle für die Bürger sein – und so soll sich das Amtshaus auch präsentieren: als offenes Haus, in dem Räume geschaffen werden, die auch extern genutzt werden können. Ein großer Wunsch ist auch, einen Hauptplatz zu haben, also einen Ort, an dem man sich einfach gut treffen kann. Wir haben in der Gemeinde außerdem sehr viele Selbstständige, die sich kleine Verkaufsräume oder Büros wünschen.
Bote: Welchen Zeitrahmen haben Sie sich für das Projekt Ortszentrum gesteckt?
Stockinger: Mit den Bürger-Workshops wollen wir noch vor dem Sommer beginnen. Wenn wir alle Wünsche zusammengetragen haben, müssen wir all das in ein Ausschreibungsverfahren bzw. einen Architektenwettbewerb zusammenfassen. Ein genauer Zeitrahmen lässt sich heute noch nicht festlegen. Mir ist aber das Ergebnis wichtiger, weil es wirklich ein Jahrhundertprojekt für die Gemeinde wird.
Bote: Wie lässt sich ein solches Jahrhundertprojekt finanziell umsetzen?
Stockinger: Geld ist in jeder Gemeinde zu wenig da. Daher ist es umso wichtiger, vernünftige Prioritäten zu setzen und zu entscheiden, was Vorrang hat. Zum anderen werden wir uns Partnerschaften suchen. Wenn wir das bestehende Gemeindezentrum verlegen, werden wir das nicht selbst bauen und finanzieren. Den neuen Hauptplatz wird die Gemeinde umsetzen, aber für das Gebäude selbst, also Gemeindezentrum, Geschäfte und eventuell Wohnungen, werden wir nach entsprechenden Partnern suchen.
Bote: Sie sind die ersten Wochen im Amt und haben in etwa Halbzeit der aktuellen Periode – was haben Sie bis dahin vor?
Stockinger: Mir ist es wichtig, unsere neue Gesprächskultur in der Praxis zu leben. Daher haben wir uns bereits mit Vereinen und der Feuerwehr zu Gesprächen getroffen, aber auch mit den Unternehmern der Gemeinde, um zu zeigen, dass die Kommunikationskanäle für sie offen sind. Es sind rund 800 Tage bis zur nächsten Gemeinderatswahl. Das heißt für mich: 800 Tage bestmöglich arbeiten für Bad Erlach.