Fotos (8): Markus Steinbichler

Wenn man an einem schönen Sommertag mit offenen Augen durch Pitten spaziert, werden einem etliche ganz besondere Bauwerke sofort auffallen: die Villen aus der Zeit der Sommerfrische, errichtet in zeitloser Schönheit und mit aus heutiger Sicht beeindruckendem Gestaltungswillen. In der Zeit von der Erschließung Pittens mit der Aspangbahn 1881 bis zum Ersten Weltkrieg herrschte ein wahrer Boom, und zahlreiche Landsitze wie die sogenannten „Endlweber-Villen“ entstanden. Auch ein eigener Schauraum im Pittner Regionsmuseum PIZ 1000 widmet sich dieser für die Entwicklung des Ortes sehr wichtigen Epoche der Sommerfrische.

Die Zeit der Sommerfrische ist ein bis heute faszinierendes Phänomen, das mit der Eröffnung der Aspangbahn seinen Anfang nahm. Entlang der 1881 eröffneten Bahnlinie siedelten sich (vergleichbar mit dem Semmering, nur etwas beschaulicher) vermögende Wiener Familien an. Wer es sich leisten konnte und wollte, errichtete hier einen Landsitz für die Wochenenden oder die in der Stadt unerträglich heiße und staubige Sommerzeit.

Mit der Bahn gut erreichbar – das Geld verdienende Familienoberhaupt pendelte dann per Zug zwischen Stadt und Land –, entstanden so stattliche Villen und Landhäuser, die oftmals vom großen Salon über Dienerzimmer bis hin zu Pförtnerhäuschen alle Stücke spielten. Diese schönen Villen und Landhäuser im Stil der Gründerzeit oder Secession findet man heute noch zwischen Bad Erlach und Aspang – also überall dort, wo der Zug aus Wien Station machte.

Schöner Wohnen: Endlweber-Villen in Pitten

Eine bemerkenswerte Anhäufung an stattlichen Sommerfrische-Villen ist in Pitten zu finden: die sogenannten „Endlweber-Villen“. Sie haben ihren Namen von jenem Mann, der sie geplant und erbaut hat.

Baumeister und Architekt Ignaz Endlweber wurde 1866 in Böhmen geboren und absolvierte seine Ausbildung zum Baumeister an der k. k. Staatsgewerbeschule in Wien. Mit Julius Deininger hatte er einen berühmten Gründerzeit- und Villen-Architekten unter seinen Ausbildnern, von dem sich Endlweber vielleicht auch einiges in puncto Baustil der damaligen Zeit abgeschaut haben mag.

Als Endlweber als Bauleiter der Hochquellenwasserleitung tätig war, dürfte er sich dabei ans Landleben südlich von Wien gewöhnt haben. Denn 1909 zieht er mit Frau und Kindern nach Pitten, wo er eine Baumeisterei übernimmt. Man wohnt zuerst im Gasthof Manhalter, der auch heute noch seine Gäste bewirtet, später dann in einer Wohnung im Gemeindeamt, wo auch die Baukanzlei lag. Ab 1910 entstehen die ersten von Endlweber geplanten Wohnbauten in Pitten.

43 Häuser für Pitten und Umgebung

Zu dem jungen, ebenfalls aus Böhmen stammenden Gemeindearzt und Wohnungsnachbarn Dr. Kerschbaum entwickelte sich eine Freundschaft, die schließlich 1911 in den Bauauftrag zur wunderschönen Villa Kerschbaum mündete.

Nach sechs Bauaufträgen im Ort konnte sich Ignaz Endelweber auch an den Bau einer eigenen Villa für sich und seine Familie wagen. Die Villa Endlweber entstand gegenüber dem Bahnhof Pitten, wegen dem der Sommerfrische-Boom im Ort erst so richtig eingesetzt hatte.

Ein Modell des Bahnhofs und der Villa Kerschbaum findet man übrigens im Museum PIZ 1000, ebenso wie typische Kleidungsstücke aus der Zeit der Sommerfrische und Wissenswertes über prominente Sommergäste.

Endlweber realisierte über die Jahre noch zahlreiche weitere Wohnbauten, die bis heute das Pittener Ortsbild bereichern und ihren Bewohnern zeitlos schönen Wohnraum bieten. Der Architekt und Baumeister realisierte aber auch Häuser für den „kleineren Geldbeutel“. In der Zeit zwischen 1910 und 1934 errichtete er im Ort und in der näheren Umgebung sieben stattliche Villen, sieben villenartige Landhäuser, 13 kleinere Wohnhäuser und 18 Sonderbauten wie Arbeiterhäuser, Umbauten und Aufstockungen. Bei näherem Interesse sei die Diplomarbeit „Aufarbeitung und Erforschung der Bautätigkeiten von Architekt Ignaz Endlweber im Raum Pitten (NÖ) von 1909 bis 1938“ der Pittnerin Christina Moder-Borsic empfohlen, die man leicht online finden kann.

Villa Waldfried: Ensemble aus Landhaus und Park

Zur Kategorie der Sonderbauten gehören auch Wirtschaftsgebäude, Gewächshäuser und ein Pförtnerhaus für eine Villa, die bereits vor der Ankunft Endlwebers in Pitten entstand: Der französische Industrielle J. Chaudoir hatte 1876 das Pittner Eisenbergwerk erworben, später hat er in Guntrams (Gemeinde Schwarzau) seine Frau kennengelernt und so dürfte er sich wohl auch in die Gegend verliebt haben. Zwischen 1906 und 1908 ließ er für sich und seine Familie auf dem Krampenstein, dem Höhenrücken zwischen Pitten und Schwarzau am Steinfeld, ein stattliches Landhaus im Stil der Semmering-Villen (der Architekt ist leider unbekannt) errichten und einen ausgedehnten Landschaftspark anlegen.

Der spätere Besitzer der Villa, Kammerrat Josef Gerhold, ließ sich von Ignaz Endlweber die besagten Nebengebäude errichten, von denen noch das Pförtnerhaus aus dem Jahr 1931 erhalten ist. Nach Gerholds Tod ging das Anwesen 1957 in den Besitz der weltweiten Ordensgemeinschaft der Salvatorianerinnen über. Anfangs beherbergten diese in der Villa Erholung suchende Kinder und Erwachsene, dann war das Gebäude über viele Jahre Kloster für alle Ordensfrauen, die mit vereinten Kräften das jetzige Genesungs-, Wohn- und Pflegeheim Mater Salvatoris errichteten. Im Laufe der Jahre erfolgten etliche Um- und Ausbauten des Betriebes. Heute gibt es 128 Pflegeplätze und rund 130 Mitarbeiter. Derzeit leben insgesamt 19 Ordensfrauen auf dem Grundstück, ein Großteil bereits selbst im „Mater Salvatoris“, andere in der Villa. Der Franziskusweg Niederösterreich Süd lädt dazu ein, den weitläufigen Park zu erkunden, in den sich die alte Villa malerisch einfügt. Das Pförtnerhaus wird von Sr. Heidrun Bauer als Atelier, zum Malen und Schreiben sowie für geistliche Begleitung genutzt – Besucher sind gerne willkommen!

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