Foto: Seidl
Vor 25 Jahren kam der erste Welthit zur Welt, bei dem Auto-Tune verwendet wurde. Nein, nicht das, was man beim fahrenden Untersatz auf vier Rädern anwendet, sondern der Effekt, mit dem man Stimmen nachbearbeiten kann. Ursprünglich ging es darum, kleine Unreinheiten (in der Tonhöhe) auszubessern, um die Aufnahmen so perfekt wie möglich klingen zu lassen. Man konnte Zeit sparen und trotzdem ein super Produkt bekommen. Wenn man dieses Verfahren nicht nur subtil anwendet, werden spannende Sounds erzielt, die etwa die eigene Stimme computermäßig klingen lassen können. Mittlerweile wird dieses Verfahren, wenn auch nur minimal, bei beinahe jedem Lied verwendet. Aber wie kommt man auf so ein technisches Schmankerl? Der Ingenieur Andy Hildebrand, der diese Software 1997 auf den Markt brachte, programmierte ursprünglich Algorithmen, die seismische Reflexionen nach einer gezielten Sprengung analysierten, um neue Ölfelder zu finden. Später wechselte er zur Musik und revolutionierte auch diese Branche. So kamen fossile Brennstoffe ins Radio. Quasi. Apropos Fossil: Der eingangs erwähnte Hit heißt „Believe“ und stammt von Cher, die ja bekanntlich auch etwas für Produkte aus Erdöl übrighat (siehe Lippen etc.). Durch den Erfolg dieses Songs erhielt die Software den Titel „Cher-Effekt“ und wurde von da an weltweit salonfähig. Der Vorteil ist, dass man damit alles perfekt glattbügeln kann. Der Nachteil ist, dass man damit alles perfekt glattbügeln kann.
Was? Wie? Wenn alle Unreinheiten entfernt, ja optimiert werden, verschwindet das Natürliche, das Fühlbare. Keine Fehler bedeuten keine Menschlichkeit. Ob musikalisch oder visuell. Wo führt das noch hin? Das kennt jeder – selbst einfachste Fotos werden nur mehr mit Verschönerungsfilter verschickt. Meine Frage: Ist besser wirklich noch gut?
Herbstlichst,
Roman J. Schwendt