Die Kapelle St. Bartholomäus in Straßhof / Fotos: Markus Steinbichler (8)

Eine für manche vielleicht etwas abgelegene Landschaft hat nicht nur Naturschönheiten, sondern auch zahlreiche historische Stätten zu bieten: die Hochfläche der nordwestlichen Buckel, begrenzt vom Schwarzatal im Nordwesten, vom Pittental im Osten und vom Hassbachtal im Süden. Die Wälder dieser Gegend warten mit mystischen Steinen, alten Bildsäulen und versunkenen Burgen auf. Bucklige Zeitreisen haben sich hier auf die Suche gemacht. 

Mehrere Wege führen auf die annähernd dreiecksförmige Hochfläche; wir wählen jenen von Scheiblingkirchen nach Witzelsberg. Auch wenn der kleine Ort nur rund 100 Meter über dem Pittental liegt, lassen einen schöne Ausblicke auf den Türkensturz aber gleich ein wenig „über den Dingen“ fühlen. Weiter nach Westen gelangt man in ein mystisches Waldstück, zerfurcht von Gräben, Rinnen und Gruben – ehemalige Bergbaugebiete und Stätten des Töpferton-Abbaus – und von gewundenen Wegen durchzogen. In der Kurve eines solchen Weges befindet sich ein großer, merkwürdiger Stein: der „Hohle Stein“, auch Taufstein genannt. Der rund ein Kubikmeter große Quarzitblock weist an einer Seite eine große Schale auf, in der fast immer Wasser steht. Dies führte zu der Sage, dass einst die Heilige Maria auf der Flucht nach Ägypten hier vorbeigekommen sei und das Jesuskind in der Schale gebadet habe, einer anderen Version zufolge habe Maria auf dem Weg nach Mariazell hier gerastet und dabei den Abdruck im Stein hinterlassen. Eine frühere Theorie, dass es sich um einen prähistorischen Opferplatz gehandelt habe, ist nicht unbedingt haltbar.

Weiter westwärts kommt man zum Rehgartelkreuz, einem mächtigen Bildstock, der strahlend weiß auf einer Kreuzung von Straßen und Wegen mitten im Wald steht. Der Name taucht als „Re(e)chgartel“ bereits ab 1499 in Urkunden auf, hat aber mit einem Reh eher weniger zu tun. Der Bildstock in seiner heutigen Form soll aus dem Jahr 1642 stammen, eindeutig nachweisbar ist dies aber nicht. Im Umfeld des Rehgartelkreuzes wurden immer wieder Menschenknochen und sogar Schädel gefunden – Hinweise auf nahe Gräber. Wahrscheinlich stammen sie von den Pesttoten der umliegenden Dörfer, die hier am Fuße des Bildstocks beerdigt worden sind. Man erzählt sich, dass die Toten aus dem nahe gelegenen Thann hier bestattet wurden – der Ort war angeblich gänzlich ausgestorben, bis auf einen einzigen „Cretin“, der die Opfer hier begrub. Pest-Bestattungen bei Bildstöcken kamen im 16. und 17. Jahrhundert öfter vor, etwa auch beim „Weißen Kreuz“ im nahe gelegenen Wartmannstetten. 

Verschwundene und versunkene Burgen

In eben jenes einst ausgestorbene, heute idyllisch daliegende Thann führt unser Weg und dar-über hinaus weiter westwärts nach Kulm. Zwischen beiden Orten liegt am Weg nach Hafning ein Waldstück mit dem Flurnamen „Im Tobel“. Dieser verweist auf eine Burg Tobel, die einst hier gestanden ist. Heute findet man mit etwas Glück noch die Reste des Erdwerks im Wald, ansonsten ist die kleine Festung spurlos verschwunden. Auch im nahe gelegenen Kulm wird eine Burg vermutet, insgesamt sollen im Umfeld des Kulmbergs mehr als 18 Festungsanlagen nachweisbar sein. Die Dichte der Burgen wird mit wichtigen Wegeverbindungen begründet, die es hier zu beschützen galt – aber auch mit einer großen Anzahl an Rohstoffen in diesem Gebiet. Bereits die Römer gruben nordöstlich von hier – im Waldstück „Im Karth“ – nach Gold. Später waren Erze, Ton und Quarzitsteine gefragt, die in Warth und Ternitz zu feuerfesten Steinen für die Auskleidung von (Hoch-)Öfen weiterverarbeitet wurden. 

Ein Stück weiter – wir passieren inzwischen die Gemeindegrenze zwischen Warth und Wartmannstetten – gelangen wir zur kleinen Ortschaft Gramatl. Nordwestlich davon, abermals tief im Wald gelegen, liegen die Überreste der Burg Grabensee, einer typischen Hausberganlage. Auch hier finden sich Bodenmerkmale wie Reste einer Vorburg, eines Grabens und der Motte, jenem Hügel, auf dem einst die kleine Festung stand. Auf dem Gipfel findet man sogar noch Überreste des Turmmauerwerks, die im Boden versunken scheinen. Alte Sagen berichten gar, dass die ganze Burg einst in einem See versunken sein soll, weil ein Schuster in ebendiesem Turm gotteslästerlich sonntags gearbeitet habe. Wahrer Kern des „Grabensees“ ist, dass die Burg zwischen zwei Bächen steht, die zu einer Sumpfwiese aufgestaut werden konnten. Die Staumauer dafür ist sogar noch vorhanden. Nach Grabungen ab 1961 konnte die Anlage anhand von Fundstücken in das 13. bis 15. Jahrhundert datiert werden. Ab 1480 dürfte die Burg nicht mehr von großer Bedeutung gewesen und somit seither eine Ruine sein.

Hausberg und Kapelle in Straßhof

Von Gramatl führt der Weg weiter – an einer seit 1499 nachweisbaren Bildsäule, dem „Weberkreuz“ vorbei – nach Straßhof. Der Ort war im zwölften Jahrhundert Mittelpunkt und Sitz einer gleichnamigen Herrschaft. Auch hier gab es eine kleine Festung in Form einer Hausberganlage – ganz wenige Bodenmerkmale davon lassen sich im Westen der Ortskapelle St. Bartholomäus erkennen. Die Burg dürfte ursprünglich aus Holz bestanden haben und wurde später als Steinbau ausgeführt. Ab 1210 verlieren sich die Spuren dieser Burg von Straßhof; vermutlich wurde sie zerstört. Aus den Steinen wurde 1472 die heutige Kapelle errichtet. Die ursprüngliche Annahme, es sei immer schon die Burgkapelle gewesen, hat sich als unwahr erwiesen. Steht man heute vor dem urtümlichen Mauerwerk in seiner romanischen Formensprache, so kann man eindeutig diese Steine oder auch Spolien (verbaute ältere Bauteile) erkennen. Ein letzter historischer Ort liegt direkt vor der Kapelle: Ein riesiger durchbohrter Stein diente einst als Versammlungsplatz für den Banntaiding, eine frühere Art von Gerichtsverhandlungen bzw. eine Versammlung der ganzen Herrschaft zur Verlautbarung von Recht und Gesetz. Der Stein wurde bereits – die Zahl begegnet uns nun zum dritten Mal – 1499 als Banntaiding-Platz erwähnt. 

Wir danken unserem Leser Rudolf Faustmann aus Neunkirchen für den Hinweis auf die Burg Grabensee und der „Gmoarichterin“ von Straßhof für den Einlass in die Kapelle.

Aufruf: 

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