Die kreisrunde Wehrkirche mit Glockenturm / Fotos: Markus Steinbichler (7)
Scheiblingkirchen verdankt seinen Ortsnamen einem ganz besonderen Gebäude: der uralten Rundkirche mitten im Dorf. Ihre Form ist außergewöhnlich und einzigartig in der Buckligen Welt. Ebenso von Bedeutung sind die romanischen Gestaltungselemente und die historischen Fresken im Inneren der Kirche. Im Barock wurde das Gotteshaus zur Wehrkirche umgebaut und ein Wehrobergeschoss aufgesetzt – Markus Steinbichler hat es für uns besucht.
Die Rundkirche in Scheiblingkirchen zählt gemeinsam mit der zeitgleich gegründeten Kirche in Thernberg zu den ältesten ursprünglich erhaltenen Kirchenbauten der Buckligen Welt. In ganz Österreich gibt es nur drei Rundkirchen; neben der Rundkapelle in Petronell und der Laurenzi-Kirche in Neulengbach ist jene in Scheiblingkirchen die dritte im Bunde. Eine vierte, die „Scheiblingkirche“ in Enns, wurde bereits 1566 abgebrochen, da sie baufällig geworden war. Die „scheibenförmige“ Kirche gab auch dem Ort, in dessen Mitte sie steht, allmählich seinen Namen – vom Mittelalter bis ca. 1570 hieß Scheiblingkirchen nämlich „Puechberg“. 1147 wurde die Rundkirche gemeinsam mit der Marienkirche in Thernberg geweiht – und zwar den Heiligen Magdalena und Rupert. Errichtet wurde sie wenige Jahre davor vom Geschlecht der Gleißenfelder. Diese saßen auf einer Burg knapp einen Kilometer nördlich der Kirche, von der heute nur noch ein einzelner Mauerpfeiler auf einem Felskopf sichtbar ist. Ein weiterer Wehrbau, die Burg Püttenau, soll übrigens nahe der Kirche auf dem Hügel des heutigen Friedhofs gestanden haben – sie war allerdings vermutlich aus Holz und ist daher spurlos verschwunden.
Rund um das scheibenförmige Gotteshaus
Die Rundkirche besteht aus Quadermauerwerk in einem fast kreisrunden Grundriss mit 17 Metern Durchmesser, dem im Osten eine halbkreisförmige Apsis mit dem Chorraum vorgelagert wurde. Ursprünglich war die Kirche noch von einer mittelalterlichen Wehrmauer umgeben, die nur noch zu rund einem Viertel im Südosten vorhanden ist. Um einen guten Gesamteindruck davon zu bekommen, erhielt unser Fotograf Markus Steinbichler wieder Unterstützung „von oben“ durch tolle Drohnenbilder von Alexander Ruprecht aus Pitten (mehr auf Facebook und Instagram unter @protogane). Darauf erkennt man aus der Vogelperspektive schön die kreisrunde Form der „Scheibenkirche“. Spätere Anbauten wie eine Kapelle, die Sakristei sowie ein markanter Glockenturm aus 1862 runden das heutige Erscheinungsbild der von einem kegelförmigen Dach bekrönten Kirche ab.
Wer mit offenen Augen einmal um die Kirche herumgeht, wird an den Außenmauern feine Lisenen und Halbsäulen erkennen, die ein Kranzgesims tragen. Ebenfalls auffällig ist das sorgfältig ausgeführte Bruchsteinmauerwerk. In einer Außenkapelle neben dem Kirchentor befindet sich ein Inschriftstein, der lange als „Römerstein“ bekannt war. Es dürfte sich aber um einen Gruftdeckel einer Angehörigen des Geschlechtes der Gleißenfelder handeln. Die massiven Außenmauern der Kirche messen zwei Meter im Durchmesser, in ihrem Inneren lag früher ein rund 50 Zentimeter breiter Aufgang ins Obergeschoss. Dieser ist heute leider im Kirchenraum vermauert, aber von oben noch weitgehend sicht- und betretbar. Zur Erschaffung des Obergeschosses wurden 1656 die Außenmauern um rund 1,5 Meter erhöht – dieses Mauerwerk aus kleineren Steinen unterscheidet sich bis heute noch gut erkennbar vom Rest.
Weltenherrscher und Wehrobergeschoss
Setzt man seinen Fuß ins Innere des Gotteshauses, so beeindruckt neben der kreisrunden Form des Zentralraumes das mächtige Kreuzgewölbe über selbigem. Die Außenmauern tragen eine halbkugelförmige Kuppel mit zwei überkreuzten rötlichen Bandrippen – im Kreuzungspunkt ist eine Rosette aufgemalt. Die wuchtigen Rippen ruhen auf großen viertelkreisförmigen Konsolen, auf den beiden östlichen – links und rechts vom Triumphbogen – ist ein Blatt abgebildet. Die beiden westlichen Konsolen zeigen hingegen, nur schwer und mit viel Fantasie erkennbar, Drachen – diese sind aber nur von der Ende des 18. Jahrhunderts eingebauten Orgel-
empore aus sichtbar. Weiters auffällig sind bemerkenswerte alte Fresken an den Wänden auffällig. Über dem Triumphbogen, der den Kirchenraum von der Apsis mit dem Altar trennt, kann man die Marienkrönung erkennen, ein Fresko aus dem dritten Viertel des 14. Jahrhunderts. Ein noch älteres Fresko aus der Zeit um 1300 zeigt im Gewölbe der Apsis einen sogenannten „Christus Pantokrator“. Diese Jesus-Darstellung mit den zwei segnenden Fingern und einem Buch in der Hand soll ihn als Weltenherrscher zeigen und war in der Zeit der Romanik sehr beliebt.
Beide Fresken sind leider stark beschädigt, denn sie waren die längste Zeit übermalt. So erfolgte 1930 eine letzte Ausmalung, später erlitt die Kirche beim starken Erdbeben 1972 Schäden, durch die die Fresken erst wieder zutage traten – die Kirche wurde daraufhin in ihre romanische Form gebracht, die Fresken wurden 1996/97 restauriert. Für die Kirchenbesucher unsichtbar bleibt das Wehrobergeschoss über dem Gewölbe, unter dem Kirchendach – erreichbar ist es heute über eine Leiter im Glockenturm. In die aufgesetzte Mauer sind 18 schießschartenähnliche Öffnungen eingelassen, aus denen die Kirche verteidigt werden konnte. Um im Falle einer Belagerung länger standhalten zu können, gab es im Kirchenboden sogar einen eigenen Brunnen – dieser ist heute unter Steinplatten und Kirchenbänken verborgen. Betritt man den harmonischen kreisrunden Kirchenraum, ist man von einer einnehmenden Ruhe umgeben. Weit weg sind heute glücklicherweise die kriegerischen Zeiten – zumindest in unseren buckligen Breiten …
Konsole mit Blatt
Dachstuhl auf dem Gewölbe
Fresko mit Darstellung der Marienkrönung
Blick aus dem Dachstuhl ins Wehrobergeschoss
Aufruf:
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