Foto: Anna Lechner
Bernadette Waldherr aus Lichtenegg sammelt Geschichten über beeindruckende Frauen aus der Region (wir haben sie in unserer „Botin“ 2023 vorgestellt). Für die aktuelle Ausgabe hat sie uns den Text über Ursula zur Verfügung gestellt:
Ursula wächst in Graz, in einer großen Familie auf und geht fürs Rhythmikstudium nach Wien.
Dabei lernt sie die Arbeit mit Menschen mit Behinderung und eine anthroposophisch geführte Schule kennen. Sie erlebt für sich, dass jede Behinderung eine besondere Bedeutung hat und man vielfältig davon lernen kann. Im Rahmen einer Schullandwoche kommt sie nach Mariensee und verliebt sich in einen 25 Jahre älteren Bildhauer, mit dem sie in ein kleines Hofstöckl zieht. Von ihm lernt sie eine andere Sicht auf das Leben, die Natur und die Kunst kennen. Nach einigen Jahren zieht der Bildhauer weiter. Ursula bleibt. Sie unterrichtet an einer öffentlichen Schule, macht eine Massageausbildung und massiert viele Leute aus dem Dorf.
Nach acht Jahren in Mariensee geht Ursula für ein Jahr nach Neuseeland und sammelt dort vielfältige Lebenserfahrungen. Sie kommt zurück und baut in ihrem Haus gemeinsam mit KollegInnen eine waldorfpädagogisch geführte Dorfschule im häuslichen Unterricht für bis zu 18 Kinder auf. Ursula hat zu dieser Zeit keine eigenen Kinder und steckt ihre ganze Energie in die Arbeit mit den Schulkindern – dies schenkt ihr viel Lebensfreude. Nach acht Jahren als Lehrerin will sie alleine nach Afrika gehen. Auf dem Weg zum Flughafen merkt sie, dass sie schwanger ist. Mit 44 Jahren bekommt Ursula eine Tochter – was für sie ein Sternschnuppenerlebnis ist. In der Karenzzeit wird Ursula vor allem von zwei älteren Freundinnen und ihrem jüngeren Bruder unterstützt. Die Schule muss nach der Geburt ihrer Tochter ausziehen. Ursula unterrichtet später an anderen Waldorfschulen.
In Mariensee erlebt Ursula Gemeinschaft in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung. Sie feiern viele Feste des Jahreskreislaufes gemeinsam. Eingebettet fühlt sich Ursula auch in die geistige Welt und die umgebende Natur. Hier erfährt sie Kraft, Fülle und Reichtum – sonst lebt sie sehr einfach. Während ihres Lebens besucht Ursula viele Aus- und Fortbildungen und gibt manchmal selber welche. Ursula bereist auch viele Länder. Sie will vieles lernen und selber schaffen. Besonders die Begegnung mit Menschen ist ihr sehr wichtig. Obwohl Ursula am Waldrand, abseits einer asphaltierten Straße lebt, besuchen sie viele Menschen, die sich bei ihr willkommen fühlen. Zurzeit geht Ursula oft mit den Schafen ihrer Tochter spazieren, was ihr beim Umstieg in die Pension sehr hilft. Hier findet sie Zeit, über ihr bewegtes Leben nachzudenken und viele Geschehnisse zu verarbeiten. Für sich wünscht sich Ursula, noch weitere Zusammenhänge erfassen zu können und sich weiterhin für eine friedvolle Welt einsetzen zu können. Weitergeben möchte Ursula ihre Lebenshaltung: „Das Liebenswerte in mir grüßt das Liebenswerte in dir“ und dass jeder jeden gelten lasse, wie er oder sie eben ist.