Auch unsere Herausgeberin Katrin Scherz-Kogelbauer ließ sich die einmalige Gelegenheit für eine geschichtsträchtige Fotoreise nicht entgehen / Selfie
Südbahnhotel am Semmering: Herzstück der Sommerfrische
Seit einigen Ausgaben des „Boten“ stellen wir dank der tollen Bilder von Markus Steinbichler (Bucklige Weltreisen auf Facebook) geschichtsträchtige Bauwerke der Region vor. Nun ergab sich die einzigartige Chance, den „Lost Place“ schlechthin zu besichtigen, auch wenn dieser nicht in der Buckligen Welt liegt – das Südbahnhotel am Semmering. Für unseren Fotografen ging damit ein kleiner Traum in Erfüllung. Und eines dürfen wir jetzt schon verraten: So vergessen, wie es auf den ersten Blick scheint, ist dieses Haus mit großer Geschichte gar nicht.
Über drei Stunden und weit mehr als 400 Fotos – das ist das Ergebnis, wenn man einen begeisterten Fotografen mit Sinn für Geschichte auf das Südbahnhotel „loslässt“. Eine kleine Auswahl zeigen wir hier, weitere Bilder gibt es unter www.bote-bw.at zu sehen. Denn Fotografierenswertes gab es am Semmering so einiges. Das Südbahnhotel ist wohl der Klassiker, wenn es um die großen Häuser zu Zeiten der Sommerfrische geht. Als man nicht eben mal eine Woche da und eine Woche dort Urlaub machte, sondern sich einen schönen Ort suchte und für mehrere Wochen, wenn nicht gar über den gesamten Sommer, blieb.
Erstes Hotel am Semmering
1882 wurde das Südbahnhotel mit 60 Zimmern als erstes Hotel am Semmering eröffnet. Der Bau wurde von der Südbahngesellschaft zur Belebung der Gebirgsregion an der Bahnstrecke von Wien nach Triest errichtet. Schon nach wenigen Jahren fand ein regelrechter „Semmering-Boom“ statt: Der Ort war durch die Bahn in nur wenigen Stunden von der Residenzstadt Wien aus gut erreichbar und wurde zum führenden Sommerfrische- und Ferienort der Monarchie. Adel und Großbürgertum ließen sich Villen und Landsitze errichten, die gehobene Mittelschicht quartierte sich in den Hotels ein. Auch das ständig überbuchte Südbahnhotel wuchs: Zahlreiche Zu- und Ausbauten folgten zwischen 1903 und 1913, um dem rasch voranschreitenden technischen Fortschritt und den steigenden Ansprüchen der Gäste nachzukommen.
Auf und Ab eines großen Hauses
Auf der Gästeliste finden sich prominente Namen wie Erzherzog Albrecht, Gustav Mahler mit Gattin Alma, Oskar Kokoschka, Peter Altenberg, Adolf Loos mit Gattin Lina, Franz Werfel, Kolo Moser, Karl Kraus und viele mehr. Der Einbruch kam schließlich mit dem Ersten Weltkrieg, die Lage erholte sich nur langsam. In den Jahren 1932–34 wurde unter den beiden Architekten und Otto-Wagner-Schülern Emil Hoppe und Otto Schönthal noch einmal groß umgebaut und ein Hallenbad errichtet. Doch nur wenige Jahre später endete die Glanzzeit des großen Hotels: Mit dem Zweiten Weltkrieg blieben die Gäste aus, in der Folge wurde im Hotel ein Lazarettbetrieb aufgenommen. Erst im Jahr 1948 diente das Haus wieder als Hotel. Der Semmering und damit auch das Südbahnhotel fanden jedoch nie mehr zu ihrer alten Größe zurück, nach mehreren Eigentümerwechseln wurde der Betrieb im Jahr 1976 endgültig eingestellt.
Regelmäßige Renovierungen
1993 kaufte der derzeitige Eigentümer das geschichtsträchtige Haus und begann mit den wichtigsten Restaurierungsarbeiten. Ab 2000 kehrten die großen Namen der ehemaligen Gäste zurück in das einst große Haus: Das Südbahnhotel diente jeweils im Sommer als Veranstaltungsort der stets ausverkauften „Reichenauer Festspiele“ mit aufgeführten Werken von Karl Kraus und Arthur Schnitzler, bis von 2010 bis zum Sommer 2017 die Zeit im Südbahnhotel einmal mehr stehen blieb.
Kulturelles Leben kehrt zurück
Seit der vergangenen Saison füllt der „Kultur.Sommer.Semmering“ das Haus erneut mit Leben und einem vielfältigen Kulturprogramm. Als zweite nostalgische Kulisse (neben dem Kurhaus am Wolfsbergkogel) öffnet das Hotel seine Türen und lädt Interessierte zum Entdecken der beeindruckenden Räumlichkeiten ein.
Von 30. Juni bis 2. September 2018 steht mit der „kulturellen Sommerfrische“ außerdem ein künstlerisch vielfältiger Terminplan am Programm. Literatur und Kabarett, Liederabende zwischen Wiener Lied und Klassik, Künstlergespräche und Theateraufführungen sollen dem architektonischen Juwel zum Glanz längst vergangener Zeiten verhelfen.
Für Markus Steinbichler war die „Fotosafari“ jedenfalls ein denkwürdiges Ereignis. „Die Stimmung dieser Räume mit der Patina der Vergangenheit und dem Eindruck, dass hier die Zeit stehen geblieben ist, ist etwas ganz Besonderes, und ich kann nur jedem empfehlen, dieses Erlebnis zu genießen.“
Das gesamte Programm des „Kultur.Sommer.Semmering“ finden Sie auf: www.kultursommer-semmering.at.
Zum Schluss haben wir noch eine gute Nachricht für alle Fans unserer Serie: Es ist geplant, aus der Fülle an tollem Fotomaterial schon bald ein eigenes Buch herauszubringen!