Vor knapp einem Jahr starteten wir an dieser Stelle mit der Serie „Eine versunkene Welt“, um erste Einblicke in die Forschungsergebnisse eines einzigartigen Regionsprojekts vorzustellen. In 28 Gemeinden der Buckligen Welt und des Wechsellandes wurde zur jüdischen Bevölkerung recherchiert, um einen detaillierten Einblick in deren Leben zu geben. Bevor sie vertrieben und vernichtet wurden. Die Erkenntnisse werden im Rahmen einer Ausstellung im neuen Museum für Zeitgeschichte in Bad Erlach präsentiert. Das Buch, das dazu entstanden ist, wird am 22. März um 19 Uhr im Gemeindesaal in Bad Erlach im Rahmen eines Festakts erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt.
„Das Besondere an diesem Projekt war, dass 21 Autorinnen und Autoren mit sehr unterschiedlichen Arbeitsmethoden und Voraussetzungen 28 Gemeinden bearbeitet haben. So beschäftigen sich einige der Autorinnen und Autoren schon seit Jahrzehnten mit diesem Thema, andere begannen mit ihren Forschungen erst vor mehr als zwei Jahren. Gerade diese Vielfalt sehe ich als besondere Stärke des Sammelbands“, so Historiker Johann Hagernhofer, einer der Leiter des Forschungsteams.
Das Buch, das aus den vielfältigen Beiträgen entstanden ist, trägt den Titel „Eine versunkene Welt – Jüdisches Leben in der Region Bucklige Welt – Wechselland.“
Wie es zu diesem Titel kam, hat eine besondere Bedeutung, denn die „versunkene Welt“ stammt aus einem Zitat von Fritz Blum, einem vertriebenen Juden aus Krumbach. In einem Brief schreibt er über sein Leben in der ehemaligen Heimat. Er schreibt von seinem Leben als „Dorfjude“, von der lieblichen Ortschaft Krumbach, in der bergigen, waldreichen Buckligen Welt. Mit Wehmut dachte Blum zurück an „dieses Traumland meiner Jugend“. Er beschrieb das friedliche Zusammenleben mit der Ortsbevölkerung, aber auch seine Flucht nach dem „Anschluss“ 1938 nach Frankreich, wo er in die französische Armee eintrat. Nach dem Krieg zog er nach Kanada, wo er sich an sein Leben im beschaulichen Krumbach erinnert: „Ich komme von einer anderen Welt, einer Welt, die es nicht mehr gibt, von der alle Spuren ausgelöscht wurden und die nie wieder auferstehen wird. Einer Welt, in welcher Tradition und Religion stark verankert waren.“
Spurensuche
Um jene Spuren, die nicht vollständig ausgelöscht waren, für die Menschen der Gegenwart und der Zukunft begreifbar zu machen, entstand dieses Projekt. Die Erkenntnisse des Forschungsteams wurden auch dem INJOEST in St. Pölten unter der Leitung von Martha Keil zur Verfügung gestellt. Das INJOEST wurde mit der Gestaltung des neuen Museums für Zeitgeschichte in Bad Erlach betraut, das am 7. April um 14 Uhr mit der Sonderausstellung „Mit ohne Juden“ eröffnet wird.
Durch die Veröffentlichung der ersten Forschungsergebnisse sind viele Menschen auf diese wertvolle Arbeit aufmerksam geworden und meldeten sich bei den Forschern mit Erinnerungen und Dokumenten.
So ist auch das Titelfoto des Buchs in die Hände von Ruth Contreras gelangt. Elisabeth Schöbel aus Pitten fiel ein altes Album in die Hände. Darin ein Foto mit der Beschriftung Anneliese Sussmann. Als sie dann erfuhr, dass einer der „Stolpersteine“ in Pitten denselben Familiennamen trug, setzte sie sich mit Ruth Contreras in Verbindung, die weitere Nachforschungen anstellte.
Gert Dressel von der Universität Wien, Experte, wenn es um erzählte Geschichte geht, zeigte sich im Rahmen des Projekts vom Engagement der Beteiligten beeindruckt. „Aus einer regionsexternen und auch universitären Perspektive fällt auf, dass dieses Projekt von engagierten Menschen, die in den allermeisten Fällen in der Region wohnen oder aus der Region stammen, getragen worden ist. Sie haben sich dabei neugierig, akribisch und vor allem auch kritisch mit Aspekten der eigenen Regionsgeschichte auseinandergesetzt, die lange genug blinde Flecken gewesen sind. Und das ist wirklich bemerkenswert!“
Reichhaltige Erinnerungen
Für die Erforschung der jüdischen Geschichte in der Region konnte auch Werner Sulzgruber gewonnen werden, der sich seit Jahrzehnten mit dem Thema befasst und den Stellenwert dieser Arbeit daher kennt. „Es handelt sich nicht um die erste Forschung über die sogenannten Landjuden in Österreich, aber die spezielle Vorgangsweise in der flächendeckenden wissenschaftlichen Erforschung einer Region, gemeinsam mit der vollständigen Aufarbeitung von Archivbeständen ist einzigartig. Entsprechend fundiert und reichhaltig ist dieses Buch“, so Sulzgruber.
Festakt
Das Ergebnis dieser Arbeit wird am 22. März im Gemeindesaal in Bad Erlach präsentiert. Bereits ab 18.30 Uhr spielen Quadra Buckliga, der Festakt beginnt um 19 Uhr. Nach den Statements der Leiter des Forschungsteams werden Schüler aus dem Gymnasium Sachsenbrunn ausgewählte Passagen des Buchs vortragen. Im Anschluss wird LH a. D. Erwin Pröll die Festansprache halten. Musikalisch begleitet wird der Abend auch von Klezmer-Musik vom Moritz Weiss Trio. Der Eintritt ist frei.